Germania 7
Programme Note
Germania 7 beschreibt in den drei Hauptteilen das Jahr 1962, so wie es Alfried Krupp erlebte. Sieben Reden und eine Radioansage aus diesen Jahren geben einen Einblick in Geisteshaltung und Meinung der Zeit. In dieser Form skizziert das Stück einen Abschnitt im Leben eines reichen Industriellen, der seine Freizeit damit verbringt, verschiedenste Reisen zu unternehmen, um diese in Film und Ton zu dokumentieren. Wieder Zuhause angekommen, synchronisiert er die Filme mit den gemachten Aufnahmen und verschiedenen Genremusiken aus seiner großen Plattensammlung. Krupps Plattensammlung umfaßt Hunderte Platten, von denen er ein Großteil auf Tonband kopiert und in einem komplizierten System archiviert hat. Bei laufendem Projektor spricht er dann live verschiedene Kommentare zum Film. Hierbei fällt auf, mit was für einem Desinteresse an Präzision er dieses vornimmt. Er spricht abgehackt, den Fluß der Sprache durch häufiges Atmen unterbrechend und macht auffällig viele Fehler, die er zwar berichtigt, jedoch scheinbar nie aus dem Band herausschneidet. Dieser Gestus sowie der Inhalt des Gesagten, spiegelt eine Persönlichkeit wieder, deren Zurücknahme einem Opportunismus entspringt, der sich als Folge der Diskrepanz zwischen der Pflicht, einen Weltkonzern zu repräsentieren und der Sehnsucht nach privater, zurückgezogener Harmonie darstellt.
Das Interesse des Komponisten begründet sich sowohl in dem reinen Vorhandensein eines solchen historischen, unaufgearbeiteten Materials, als auch in der Neugier durch dessen Sichtung und Zusammenstellung quasi akustisch hinter die Geheimnisse eines Prominenten zu kommen (vergleichbar mit dem Stöbern in Doris Day´s Mülltonne).
Hierbei erscheint dem Komponisten die historische Einordnung der Person Alfried Krupps im Zusammenhang mit der Rolle, des, durch ihn repräsentierten Weltkonzerns im dritten Reich, keine aussagekräftige Grundlage zur Reflektion des besagten Materials. Diese Informationen werden vorausgesetzt. Durch die Herausgabe des Materials soll sich vielmehr eine Persönlichkeit selbst beschreiben. Dem Hörer wird somit die Möglichkeit geboten, sich selbst eine Meinung darüber zu bilden, inwieweit sich das gesellschaftliche und das private Bild eines Menschen gleichen oder widersprechen kann, oder der scheinbare Widerspruch eine wechselwirksame Folge des jeweils anderen Erscheinungsbildes ist. Für den Komponisten ergeben sich daraus folgende Notwendigkeiten:
- Reduktion des gesamten, in vielen Versionen vorliegenden Materials auf eine rezipierbare Gesamtlänge.
- Wiederherstellung der Chronologie der Ereignisse, dabei möglichst sinnvolle Zusammenstellung verschiedener Dokumentationsarten
( Tonbericht, Filmmusik, Filmsynchronisation )
- möglichst geringe Eingriffe in die Ursprünglichkeit des Materials.
- keine Überlagerung der Ereignisse.
- keine Kommentare.